Die Ingenieurkammer-Bau NRW pflanzt im April an zwei Standorten insgesamt 12.000 Bäume. In Ratingen bei Düsseldorf und Stolberg bei Aachen entsteht so ein klimaresilienter Mischwald überwiegend aus den Arten Roteiche, Esskastanie, Douglasie, Lärche und Tanne. Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Präsident der Ingenieurkammer-Bau NRW: „Die Verantwortung für das Gemeinwesen gehört zur DNA des Bauingenieurwesens. Deshalb haben wir als IK-Bau NRW beschlossen, uns für die Zukunft des Waldes in NRW zu engagieren. Die Lebensdauer der Setzlinge, die wir in diesem Frühjahr pflanzen, weist dabei über das einzelne Menschenleben hinaus und wir verstehen unser Engagement für den Wald in NRW als eine Art Generationenvertrag.“
Die Ingenieurkammer-Bau NRW hat sich bewusst entschieden, kleine und mittelständische Forstbetriebe vor Ort zu unterstützen, die oft durch das Raster staatlicher Förderung fallen. Den Klimawandel als weltweites Phänomen will man nach dem Motto ‚global denken, lokal handeln‘ vor Ort bekämpfen.
Auch der nordrhein-westfälische Wald hat in den letzten drei Jahren unter Stürmen, Trockenheit und der Massenvermehrung des Borkenkäfers enorm gelitten. Die Menge des sogenannten Kalamitätsholzes, das wegen Dürre, Sturm und Borkenkäferverfall vorzeitig verwertet werden musste, ist in diesem Zeitraum mit 34 Mio. Festmetern (fm) auf einen Rekordwert gestiegen.
Dabei sind die Gründe, sich für den Wald zu engagieren, vielfältig: An erster Stelle ist der Wald als Kohlenstoffsenke ein entscheidender Faktor im Kampf gegen die Klimaerwärmung. Aber auch über die Klimaschutzfunktion hinaus, leistet der Wald vieles für Mensch und Umwelt: Bäume und Waldboden speichern Niederschlagswasser. Der Wald trägt so direkt zum Hochwasserschutz und zu unserer Versorgung mit sauberem Wasser bei. Wälder filtern Staub und Schadstoffe aus der Luft und bilden einen natürlichen Lärmschutz. Die Wälder sind seit jeher Orte der Ruhe, der Erholung und ermöglichen ein direktes Naturerlebnis.
VON DER MONOKULTUR ZUM KLIMARESILIENTEN MISCHWALD
Der Wald braucht unsere Hilfe
Im April pflanzt die IK-Bau NRW in Ratingen und Stolberg rund 12.000 Bäume. Wir haben mit den beiden Forstwirten Wilderich Freiherr von Ketteler aus Ratingen und Ralph Prym aus Stolberg über den Zustand des Waldes, die Auswirkungen des Klimawandels und die vielfältigen Ansprüche der Gesellschaft an den Wald gesprochen.
IK-Bau NRW: Man hört allenthalben, dass der Wald unter Stürmen, Trockenheit und der Massenvermehrung des Borkenkäfers leidet. Wie ist denn der Zustand Ihres Forstes ganz konkret?
Wilderich Freiherr von Ketteler: Um den Zustand des von uns bewirtschafteten Waldes mit einem Wort zu beschreiben, lautet die Antwort: Schlecht. Der zu Linnep gehörende Wald ist, was Standorte und Baumarten betrifft, sehr klug angelegt. Hierbei spielten stets standörtliche, klimatische und wirtschaftliche Begebenheiten eine wichtige Rolle. Wetterkapriolen wie die Stürme Kyrill, Ela etc. und klimatische Veränderungen wie die Dürren 2018, 2019 und 2020 spielten und spielen weiterhin unseren Wäldern übel mit. Deren Spätfolgen haben einen generationsüberschreitenden desaströsen Effekt. Dies lässt sich an mehreren Beispielen festmachen. Auf Grund der Dürresommer wurden gerade die mittelalten und alten Buchenwälder stark geschädigt, was zum Absterben vieler dieser Bäume geführt hat und auch noch führt. Damit verbunden ist der Verlust wichtiger ökologischer Funktionen, die diese Bäume wahrnehmen, sowie ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden durch die Entwertung des Nutzholzes. Leider ist damit auch verknüpft, dass diese Waldbestände sich nicht mehr selbst verjüngen können, man spricht in diesem Zusammenhang von Naturverjüngung, sondern für teures Geld gepflanzt werden müssen. Auch bei anderen Baumarten kommt es zu negativen Auswirkungen. Immer wieder sterben auch einzelne Eichen ab bzw. es kommt zu Kronenverlichtungen. Durch den vermehrten Lichteinfall neigen die Nachbarbäume zur Bildung von Ästen am Stamm. Dieses führt zu einer dauerhaften, erheblichen Wertminderung am sogenannten Stammholz. Außerdem kann sich die Brombeere durch den erhöhten Lichteinfall sehr viel besser entwickeln, was wiederum die schon angeführte Naturverjüngung verhindert und teure, künstliche Anpflanzungen notwendig macht. Die Liste der negativen Beispiele ließe sich noch deutlich verlängern. Fakt ist, dass der Umbau zu einer noch größeren Klimaresilienz unserer Wälder mit erheblichen waldbaulichen als auch finanziellen Anstrengungen verbunden ist.
Ralph Prym: Der Wald der Laufenburg GmbH & Co KG in Stolberg-Schevenhütte ist bedingt durch die Katastrophen der letzten Jahre, insbesondere Klimawandel verbunden mit Trockenheit, Dürre und dadurch bedingt Käferbefall sowie Stürmen in einem sehr schlechten Zustand. Wir haben Kahlflächen aufgrund der Trockenheit und Sturmschäden von ca. 100 Hektar (ha) bei einer Gesamtgröße des Waldes von 575 ha. Die Kahlflächen müssen kontinuierlich wiederaufgeforstet werden, wie es das Gesetz auch vorschreibt.
IK-Bau NRW: Die Fichte gilt als der "Brotbaum" der Forstwirtschaft. Aber gerade die Fichte leidet besonders unter den Auswirkungen des Klimawandels und die Fichtenwälder machen klimaresistenten Mischwäldern mit höherem Laubbaumanteil Platz. Was bedeutet das für die wirtschaftliche Nutzbarkeit des Waldes?
Wilderich Freiherr von Ketteler: Der Linneper Wald besteht zu 86 Prozent aus Laubbäumen. Gemessen daran trug der geringe Fichtenanteil überproportional viel zu den Holzeinnahmen bei. Die wenigen Fichten, die wir hatten, wurden allerdings durch die zuvor genannten Stürme und Dürren vernichtet. Auch Schädlinge trugen hierzu maßgeblich bei. Aufgeforstet wurden und werden die freigewordenen Flächen durch Laubbäume, deren Erntereife sehr viel später erreicht wird als beim „Brotbaum“. Der finanzielle Engpass für die Waldbesitzenden ist also diesbezüglich klar zu terminieren. Hinzu kommt die aktuelle Preisentwicklung durch Angebot und Nachfrage. Allein durch Substitutionseffekte wird Holz immer wichtiger zum Erreichen der gesetzten Klimaziele. Holz speichert CO2 über einen sehr langen Zeitraum. Es kann Beton, Stahl und Kunststoff in vielen Bereichen ersetzten. Das Freisetzten von CO2 bei der Produktion von z.B. Beton fällt durch den Einsatz von Holz weg. Der Baustoff „Holz“ wird immer wichtiger.
Ralph Prym: Wir gehen davon aus, dass die Fichte in den Wäldern in unserem Breitengrad in den nächsten Jahren verschwinden wird. Sie war der Brot- und Butterbaum der Forstwirtschaft und die Wälder wurden insbesondere nach dem 2. Weltkrieg mit Fichten wiederaufgeforstet, teilweise entstanden Monokulturen. Insbesondere aufgrund des Klimawandels müssen klimaresistente Baumarten gepflanzt werden und Mischwälder gebildet werden. Die Forstwirtschaft entwickelt sich über Generationen, die nächste Generation wird wirtschaftlich karge Zeiten erleben.
IK-Bau NRW: Es gibt Bestrebungen, die Holzbauquote in Deutschland weiter zu erhöhen. Das ergibt aus Gründen des Kilmaschutzes Sinn. Aber werden die neuen klimaresistenten Mischwälder mit hohem Laubbaumanteil künftig noch genug Bauholz für einen wachsenden Markt liefern?
Wilderich Freiherr von Ketteler: Deutschland ist eines der waldreichsten Länder in Europa. Unser hiesiges Know-how in der Forstwirtschaft ist weltweit hochgradig geschätzt. Es ist noch nicht ganz klar abzusehen, ob und in welchem Umfang es zu einer Verknappung des Rohstoffs Holz kommt. Regional wird dies sicherlich der Fall sein, insbesondere in den durch Borkenkäferbefall stark betroffenen Regionen. Derweilen wird daran geforscht im Bauholzbereich Nadelholz durch Laubholz zu ersetzen. Erschwerend kommt der sogenannte „Green Deal“ der Europäischen Union hinzu. Dieser sieht 10 Prozent Flächenstilllegung in der Land- und Forstwirtschaft in Deutschland vor. Somit würden erhebliche Waldflächen aus der Bewirtschaftung genommen werden und zu einer weiteren Verknappung des nachhaltigen Rohstoffs Holz führen. Das Vorhaben schadet also dem Ansinnen des nachhaltigen Bauens mit einem heimischen, nachwachsenden Rohstoff und führt auch zu einer weiteren Beeinträchtigung des Bauholzmarktes.
Ralph Prym: Die Wälder müssen wiederaufgeforstet werden mit klimaresistenten Baumarten und Mischwäldern, dieser (gesetzlichen Wiederaufforstungs-) Verpflichtung kommen bisher nicht alle Waldbesitzer nach. Wir wollen den Laubbaumanteil von bisher 38 Prozent auf 50 Prozent in unserem Revier erhöhen. Deutschland war immer ein holzimportierendes Land und wird es auch bleiben. Holz wird zukünftig ein Rohstoff sein, der mehr nachgefragt sein wird. Die Versorgungssicherheit wird auch von geopolitischen Lagen abhängig sein.
IK-Bau NRW: Die Erwartungen und Anforderungen an den Wald sind hoch: Kohlenstoffsenke, Reservoir für einen nachhaltigen Baustoff, Garant für Artenvielfalt und sauberes Wasser, Erholungsgebiet und Sportplatz. Kann der Wald all diesen Ansprüchen gerecht werden? Und ist die Gesellschaft auch bereit, all diese Leistungen des Waldes angemessen zu honorieren?
Wilderich Freiherr von Ketteler: Ja, er kann, vorausgesetzt es findet ein noch weitergehendes Umdenken in der Bevölkerung und Politik statt. All diese, in der Frage formulierten Eigenschaften des Waldes, sind Leistungen, welche in Einklang miteinander gebracht und dauerhaft honoriert werden müssen. Hinsichtlich der Honorierung gibt es Modelle, welche die Politik aufgegriffen hat und langsam damit beginnt diese umzusetzen. „Ideologien“ helfen hier allerdings nicht weiter. Es bedarf intensiver Informations- und Aufklärungsarbeit, um die Gesellschaft davon zu überzeugen, dass die Waldbesitzenden dringend ihre Unterstützung benötigen bei dieser uns alle betreffenden „Herkulesaufgabe“.
Ralph Prym: Auf diese Frage muss man leider zweimal nein antworten. All diesen Anforderungen kann und wird der Wald nicht erfüllen; insbesondere in der Coronakrise war der Wald überfordert und überlaufen durch diverse Freizeitaktivitäten der Menschen. Leider ist die Gesellschaft nicht bereit, die Leistungen des Waldes angemessen zu honorieren, vielmehr ist in der Gesellschaft ein Anspruch auf alle Leistungen des Waldes verankert. Der Wald benötigt mehr Honorierung und Förderung z. B. eine CO2 Prämie für den Wald analog Kohlepfennig in der Vergangenheit, um den Ansprüchen gerecht werden zu können .
IK-Bau NRW: Zum konkreten Aufforstungsprojekt der IK-Bau NRW: Wie sieht das aufzuforstende Gebiet heute aus? Wie soll es sich nach der Aufforstung entwickeln?Wilderich
Wilderich Freiherr von Ketteler: Zunächst einmal dürfen wir (Forstbetrieb Linnep und IK-Bau NRW) uns glücklich preisen qualitativ hochwertigen Pflanzmaterial bekommen zu haben. Noch nicht die angestrebte Menge aber immerhin schon 1.200 Laubbäume. Nachdem die abgestorbenen Borkenkäferfichten von der Fläche geräumt und der Boden vorbereitet worden ist, konnten diese 1.200 Bäume im Winter 2021/22 gesetzt werden. Es handelt sich dabei um Buchen, Ahorn und Vogelkirschen, die noch durch Traubeneichen vervollständigt werden sollen. Die Vogelkirschen wurden mit Verbiss- und Fegeschutz gegen Rehwild versehen. Dies war erforderlich, weil Rehe diese Baumart besonders gerne abfressen und verfegen. Ziel ist ein standortgerechter, stabiler, klimatoleranterer Laubholzmischbestand, der in 100 Jahren schöne und mächtige Bäume aufweist.
Ralph Prym: Auf der aufzuforstenden Fläche standen bis 2021 Fichten im Alter von 60 Jahren, die Fichten waren vom Borkenkäfer befallen und mussten gefällt werden. Die Fläche ist geräumt, in der Zwischenzeit von Minensuchern auf verbliebene Kampfmittel aus dem 2. Weltkrieg abgesucht und zur Pflanzung bereit. Wir werden auf der Fläche verschiedene Baumarten pflanzen wie amerikanische Roteiche, Esskastanie, eine Hybridlärche und Küstentanne. Wir werden einen Teil der Fläche mit Zaun eingattern zum Schutz vor Verbiss durch das Rot-, Reh- und Muffelwild.
IK-Bau NRW: Welche Baumarten waren bislang vorherrschend? Welche sollen es nach der Aufforstung sein?
Wilderich Freiherr von Ketteler: Vor der Aufforstung bestand die Fläche einzig aus einem 31-jährigen Fichtenwald. Nach der Aufforstung wird ein Mischwald aus Buchen, Kirschen, Ahorn und Traubeneichen entstehen.
Ralph Prym: Vorherrschend in dem Revier der Laufenburg war die Fichte gefolgt von der Traubeneiche und Douglasie. In den letzten 30 Jahren haben wir die Douglasie, Lärche und die amerikanische Roteiche gepflanzt. In den letzten drei Jahren haben wir die Esskastanie, die Hybridlärche und die Küstentanne gepflanzt und damit gute Erfahrungen gemacht. Mit der Wiederaufforstung der Kahlflächen werden die Baumarten amerikanische Roteiche, Esskastanie, Küstentanne, Nordmanntanne und Hybridlärche (gezüchtet aus europäischer und japanischer Lärche) zunehmen. Wir streben einen Anteil von 50 Prozent Laubholz und 50 Prozent Nadelholz an.
IK-Bau NRW: Welchen Einfluss hat die Veränderung des Klimas auf die Auswahl der Baumarten?
Wilderich Freiherr von Ketteler: Die Auswahl der Baumarten konzentriert sich im Hinblick auf die Klimaveränderungen maßgeblich auf die Risikostreuung durch unterschiedliche Laubbaumarten, Trockenheitsresistenz, Windanfälligkeit und Widerstandskraft gegen Schädlinge.
Ralph Prym: Aufgrund des Klimawandels pflanzen wir nur resistente Baumarten, mit denen wir auch in den letzten 30 Jahren schon gute Erfahrungen gemacht haben.
IK-Bau NRW: Werden die unterschiedlichen Arten zu unterschiedlichen Nutzungszwecken gepflanzt?
Wilderich Freiherr von Ketteler: Ja, wobei die Nutzungszwecke ineinandergreifen. So wird z. B. die Traubeneiche hoffentlich später einmal wertiges Schneideholz liefern aber gleichzeitig auch einen ökologisch hochinteressanten Lebensraum für unterschiedliche Arten bieten.
Ralph Prym: Nein, wir forsten die Kahlflächen mit resistenten Baumarten auf, die endgültige Nutzung steht heute nicht fest. Wir glauben, dass die Holzindustrie sich auf diese resistenten Baumarten einstellen muss; die angepflanzten Baumarten sind geeignet für die Holzindustrie und wir sind zuversichtlich, mit diesen Baumarten eine nachhaltige Forstwirtschaft betreiben zu können.
IK-Bau NRW: Nach wie vielen Jahren werden die unterschiedlichen Baumarten wirtschaftlich verwertet? Wie unterscheidet sich die Verwertung je nach Baumart?
Wilderich Freiherr von Ketteler: Die Buche wird nach ca. 110 – 140 Jahren erntereif sein. Sie wird je nach Qualität u.a. in der Möbelindustrie Verwendung finden. Vogelkirschen sind schon relativ „schnell“ hiebsreif, und zwar im Alter von 70 – 80 Jahren während man bei der Eiche sehr viel mehr Geduld benötigt. Hier geht man von Zeiträumen zwischen 160 – 220 Jahren aus. Also keine Baumart für ungeduldige Waldbesitzende. Die Eiche findet Verwendung z.B. als Möbel,- Bau- oder Fassholz. Ahron: Möbel, Innenausbau, Intarsienarbeiten, Treppen, Sportgeräte und Spielzeug. Kirsche: Möbel, Furnier, Musikinstrumente und Parkettböden. Alle Baumarten sind auch als Energieholz nutzbar.
Ralph Prym: Die wirtschaftliche Verwertung wird je nach Baumart differieren, die Esskastanie werden wir nach 80-100 Jahren nutzen, Douglasie und Lärche nach 100-120 Jahren und die amerikanische Roteiche und die Küsten- und Nordmanntanne nach ca. 100-150 Jahren.
Das Interview führte Dr. Bastian Peiffer, Pressesprecher der IK-Bau NRW