Bauingenieurinnen und Bauingenieure arbeiten heute wie selbstverständlich mit Drohnen und nutzen die digitalen Errungenschaften des Building Information Modeling. Mit Prof. Dr.-Ing. Markus König, Inhaber des Lehrstuhls für Informatik im Bauwesen an der Ruhr-Universität Bochum, haben wir darüber gesprochen, wie Zukunftstechniken das Bauingenieurwesen verändern.
IK-Bau NRW
Wie wird sich das Arbeitsfeld der Bauingenieurinnen und Bauingenieure in der
Planung durch beispielsweise BIM und KI verändern?
Markus König
Erst einmal muss man festhalten, dass weiterhin eine hohe baufachliche
Expertise notwendig ist, um Bauprojekte effizient und hochwertig zu planen und
abzuwickeln. Digitale Möglichkeiten wie BIM und/oder KI können jedoch die
aktuellen Arbeitsprozesse deutlich verbessern. Hierzu müssen diese
Arbeitsprozesse angepasst und eventuell auch neu strukturiert werden. Somit
ändern sich Prozesse und auch Arbeitsmittel für Bauingenieure und Bauingenieurinnen.
Beispielsweise können durch Bauwerksmodelle (BIM-Modelle) einzelne
Fachplanungen besser koordiniert und Probleme häufig früher erkannt werden. Die
Bauingenieure müssen neue Kompetenzen erlernen, damit diese digitalen Werkzeuge
auch effizient eingesetzt werden können. BIM ist ja auch nicht mehr so neu und
viele Bauingenieure haben die digitalen Planungsmethoden schon schätzen
gelernt. Wichtig dabei ist, dass alle beteiligten Planer verstehen, dass
Bauwerksmodelle sehr viele nutzbringende Informationen enthalten können, wenn
diese korrekt und qualitätsgesichert erstellt werden.
IK-Bau NRW
Kann KI manche Tätigkeiten des Planers künftig ersetzen?
Markus König
Beim Thema KI stehen wir im Bauwesen insgesamt sicherlich noch am Anfang.
Aktuelle Anwendungen sind zum Beispiel die Auswertung von Bildern (z.B. für die
Erkennung von Schäden, Materialien oder Ressourcen), die Rekonstruktion von
Bestandsbauwerken oder die Auswertung von Maschinendaten für eine bessere
Steuerung von Arbeiten auf der Baustelle. Die Planung eines Bauwerks ist jedoch
ein sehr komplexer Vorgang und viel Fachkompetenz ist gefragt. KI-Verfahren
können an einigen Stellen sicherlich in Zukunft eingesetzt werden.
Selbstlernende System, welche den Bauingenieuren eventuell Planungsalternativen
vorschlagen oder semi-automatisch eine Detaillierung vornehmen, werden gerade
erst erforscht. In den nächsten Jahren wird es eher vermehrt Regelbasierte
Systeme geben, die zum Beispiel während der Planung im Hintergrund
automatisiert Normen, Richtlinien und Regelwerke prüfen und bei Problemen mit
der aktuellen Planung einen Hinweis geben. Ein großes Problem bei vielen KI-Verfahren
ist es, dass eine Vielzahl von Trainingsdaten erfasst und aufbereitet werden
muss.
IK-Bau NRW
Wie hat sich die Ausbildung des Ingenieurnachwuchses bereits an die
Herausforderungen der Digitalisierung angepasst?
Markus König
In den letzten Jahren haben fast alle Hochschulen, die Studiengänge im Bereich
des Bauingenieurwesens anbieten, neue Lerninhalte mit Fokus Digitalisierung
entwickelt. Beispielsweise bietet die Ruhr-Universität Bochum schon seit 2009
erste Kurse zur BIM-basierten Planung an und hat diese im Jahr 2013 als
Pflichtveranstaltung in den Bachelorstudiengang aufgenommen. Andere Hochschulen
sind gerade dabei ihr Curriculum zu erweitern bzw. neu zu strukturieren. Wir
sind da auf einem sehr guten Weg. Neben den digitalen Technologien müssen
jedoch auch Kompetenzen in Richtung digitaler Zusammenarbeit vermittelt werden.
Ein erfolgreiches Projekt erfordert in der Regel auch immer eine gute und
effiziente Kollaboration. Neue Angebote zur Anwendung von KI und Robotik sind
gerade auch in der Entwicklung an verschiedenen Hochschulen.
IK-Bau NRW
Welche Anpassungen sind künftig notwendig?
Markus König
Nach meiner Ansicht gibt es für die Zukunft drei Schwerpunkte, die angegangen
werden sollten. Entwicklungen in Lehre und Forschung sollten intensiver mit der
Wirtschaft diskutiert werden. Anwendungsnahe Forschungen, wie sie im
Maschinenbau sehr häufig sind, könnten noch ausgebaut werden. Als weiteren
Schwerpunkt sehe ich den engen Austausch zwischen den angrenzenden
Fachdisziplinen. Robotik im Bauwesen wird ein großes Thema werden, daher muss
hier intensiv mit dem Maschinenbau kooperiert werden. Wenn wir über
Digitalisierung sprechen, spielt auch die IT-Sicherheit eine große Rolle. Des
Weiteren sehe ich aufgrund der vielen Akteure im Bauwesen einen großen Bedarf
an offenen Plattformen. Hier setze ich große Hoffnungen auf neue Konzepte, die
beispielsweise im Kontext von GAIA-X gerade entstehen. Dies führt dann auch zum
dritten Schwerpunkt, die Vernetzung und gesicherte Bereitstellung der
verschiedenen Datenquellen, um die Potentiale für KI zu ermöglichen. Nur durch
eine bessere und ganzheitliche Vernetzung einer Vielzahl von Informationen zu
Gebäuden, Infrastrukturen und Nutzern, können wichtige Daten zeitnah für die
spannenden Aufgaben im Bauwesen schnell und konsistent zur Verfügung gestellt
werden.
Das Interview führte Dr. Bastian Peiffer, Pressesprecher der IK-Bau NRW
[Erstveröffentlichung im Kammer-Spiegel 03/2021]
Prof. Dr.-Ing. Markus König studierte bis 1996 Bauingenieurwesen mit der Studienrichtung Angewandte Informatik an der Universität Hannover, an der er auch 2003 mit dem Schwerpunkt computergestützte kooperative Gebäudeplanung promovierte. Anschließend übernahm er die Juniorprofessur „Theoretische Methoden des Projektmanagements“ an der Bauhaus-Universität Weimar. Im Jahr 2009 wurde er auf den Lehrstuhl für Informatik im Bauwesen an der Ruhr-Universität Bochum berufen. Prof. König leitete die erste wissenschaftliche Begleitung der Pilotprojekte des Bundes zur Anwendung von Building Information Modeling im Infrastrukturbau. Er war Mitglied des Expertenteams zur Entwicklung des Stufenplans „Digitales Planen und Bauen“ des BMVI. Aktuell ist Prof. König stellvertretender Leiter des nationalen Zentrums für die Digitalisierung des Bauwesens (BIM Deutschland). Prof. König veröffentlichte mehr als 230 Fachbeiträge und leitete mehrere große Forschungsprojekte. Für seine wissenschaftlichen und praxisnahen Aktivitäten zur Digitalisierung des Bauwesens erhielt er 2016 den Preis der Bauindustrie Niedersachsen-Bremen und 2020 die Konrad-Zuse-Medaille für Verdienste um die Informatik im Bauwesen verliehen durch den Zentralverband des Deutschen Bauwesens.