21.11.2023
„Heißes Eisen“ lautet die Überschrift auf der Webseite des Veranstaltungsortes des diesjährigen Sachverständigen-Forums, so berichtete es der Vize-Präsident der IK-Bau NRW, Dr.-Ing. Hubertus Brauer, in seiner Begrüßung. Ein "heißes Eisen" sei aber auch das Thema des diesjährigen Sachverständigen-Forums – die Befangenheit des Sachverständigen. Was es mit dem heißen Eisen in seiner buchstäblichen Bedeutung auf sich hat, skizzierte dann der stellvertretende Leiter des LWL Museums Henrichshütte, Dr. Olaf Schmidt-Rutsch, in seinem Grußwort. Das Werk in Hattingen war von seiner Gründung 1854 bis zu seiner Stilllegung im Jahr 1987 eines der bedeutendsten Hüttenwerke in der Region. Heute ist die Henrichshütte als Museum ein beeindruckendes Zeugnis von Industriekultur und Ingenieurbau.
v. l. n. r.: Dr.-Ing. Hubertus Brauer, Dipl.-Ing. Frank Wischerhoff, Sina Schielke M.Sc. RWTH, Ass. jur. Katja Hennig, Dr. Michael Rottkemper, Andreas Kleefisch
stellvertr. Museumsleitung Dr. Olaf Schmidt-Rutsch
Nicht nur Richter, auch Sachverständige müssen in Gerichtsverfahren Neutralität wahren. Das verlangen sowohl die Prozessordnungen als auch die Sachverständigenordnungen der Bestellungskörperschaften. Die Unparteilichkeit sowie die exakte Ausführung der Anweisung des Gerichtes gehören zu den Pflichten des Sachverständigen. Kommt er diesen nicht nach, drohen die Ablehnung des Sachverständigen im Verfahren, das Erlöschen des Vergütungsanspruches trotz fachlicher Korrektheit des Gutachtens oder möglicherweise sogar berufsrechtliche Maßnahmen durch die Bestellungskörperschaft.
Im ersten Vortrag des Tages sprach Dr. Michael Rottkemper, Vorsitzender Richter am Landgericht Bochum, über die Ablehnung von Sachverständigen aus Richtersicht. Dabei referierte er die rechtlichen Grundlagen der Ablehnung und definiert die „Besorgnis der Befangenheit“ aus rechtlicher Sicht.
Dipl.-Ing. Frank Wischerhoff, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Baupreisermittlung und Abrechnung im Hoch- und Ingenieurbau bei Prof. Dr. Mitschein Wischerhoff und Partner Ingenieure für Baubetrieb in Mülheim an der Ruhr zeigte im Anschluss anhand von Beispielen aus der Praxis die Relevanz des Themas. So könnten Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen beispielsweise auch dadurch begründet sein, dass seine Feststellungen über die durch den Beweisbeschluss vorgegebenen Beweisfragen hinausgingen. Fallstricke lauerten zuweilen auch beim Ortstermin und auch eine unsachliche Reaktion auf sachliche Kritik könne im Einzelfall zur Besorgnis der Befangenheit führen.
Andreas Kleefisch, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht bei Baumeister Rechtsanwälte in Münster schilderte im dritten Vortrag des Tages die Befangenheit von Sachverständigen aus Sicht des Fachanwalts und widmete sich den Fragen: Wann ist der Antrag zu stellen? Wer darf den Antrag stellen? Wie sehen die Entscheidung, Begründung, Rechtsmittel, Ablehnungsgründe und Beweiswürdigung durch das Gericht aus?
Wie zuvor durch das Tagungsprogramm führte Katja Hennig, Juristin im Rechtsreferat der IK-Bau NRW, sachverständig und souverän durch die engagierte Diskussionsrunde mit vielen konstruktiven Beiträgen auch aus dem Publikum. Der fachliche und persönliche Austausch beim anschließenden Imbiss unterstrichen den Wert des Sachverständigen-Forums für die zahlreich erschienen Teilnehmerinnen und Teilnehmer.