Nachhaltige Ingenieurtechnik in Uganda

Nachhaltige Ingenieurtechnik in Uganda

Hygiene ist ein Menschenrecht – und oft entscheidend für den Zugang zu Bildung. In einer ländlichen Grundschule in Uganda bauen Lara Bergfelder und Kristin Frank mit ihrem Team von Ingenieure ohne Grenzen nachhaltige Toilettenanlagen. Mit interkultureller Kommunikation, innovativer Technik und großem Engagement schaffen sie nicht nur dringend benötigte Sanitäranlagen, sondern Bildungsperspektiven für hunderte Schülerinnen und Schüler.

IK-Bau NRW: Welches Projekt stellen Sie uns heute vor?

Lara Bergfelder: Unser Projekt befindet sich in Uganda, genauer gesagt in einem Ort namens Kikandwa. Dieser liegt etwa eine Stunde von Kampala, der Hauptstadt, entfernt. Wir arbeiten dort an einer Grundschule mit schwankenden Schülerzahlen, etwa 800 Schülerinnen und Schülern. 2017 hat die Schule unserer lokalen Partnerorganisation „Suubi Community Projects“ geschrieben, dass die Toiletten, sogenannte Grubenlatrinen, überzulaufen drohen. 2018 drohten die staatlichen Behörden sogar mit der Schließung der Schule, falls die Sanitärsituation nicht verbessert würde. 2019 hat unser Projektpartner die Anfrage an „Ingenieure ohne Grenzen“ weitergeleitet. Daraufhin meldete sich die Regionalgruppe Aachen. Ich selbst bin direkt bei einem ersten Infoabend zum Projekt dazugestoßen. Nach und nach haben wir die Projektstruktur aufgebaut. Seit Ende 2020 ist das Projekt offiziell etabliert.

IK-Bau NRW: Toiletten sind ja nicht nur in Uganda ein Thema, sondern auch an deutschen Schulen. Vielleicht können Sie uns die spezifischen Herausforderungen in diesem Kontext näher erklären?

Kristin Frank: Ja, das ist ein grundlegendes Problem. Wenn die Toiletten überlaufen und nicht mehr nutzbar sind, gehen die Schülerinnen und Schüler oft in den Busch. Das stellt nicht nur ein hygienisches Problem dar, sondern kann auch das Grundwasser belasten, besonders wenn, wie in diesem Fall, ein Brunnen auf dem Schulgelände zur Trinkwasserversorgung genutzt wird. Wenn die Sanitäranlagen nicht funktionieren, kann die Schule geschlossen werden. Das hat erhebliche Auswirkungen auf die Bildungschancen der Kinder, insbesondere an einer Schule mit einem so großen Einzugsgebiet wie dieser.

Lara Bergfelder: Durch das sogenannte „Open Defecation“ kann das Grundwasser stark belastet werden. Im schlimmsten Fall wird das Wasser unbrauchbar, und die Schülerinnen und Schüler bleiben der Schule fern. Das führt zu einem Teufelskreis, in dem Bildungschancen weiter sinken.

IK-Bau NRW: Hatten Sie Schwierigkeiten bei der technischen Kommunikation mit Ihren Partnern in Uganda? Oder hat das problemlos funktioniert? Wie haben Sie das gemanagt?

Kristin Frank: Meiner Erfahrung nach hat das gut funktioniert. Wir haben über Zoom und WhatsApp kommuniziert und konnten teilweise sogar Videoanrufe direkt von der Baustelle machen. Natürlich ist die Internetverbindung manchmal instabil, aber das war kein grundlegendes Problem.

Lara Bergfelder: Dadurch, dass wir schon lange mit unserem lokalen Partner Steven (von Suubi Community Projects) zusammenarbeiten, verstehen sich alle Seiten besser. Ich habe auch an Workshops zur interkulturellen Kommunikation teilgenommen, was sehr hilfreich war. Steven ist sehr erfahren im Umgang mit deutschen Partnern, sodass wir keine größeren Kommunikationsprobleme haben. Er übernimmt zudem als Mediator die Kommunikation mit anderen Beteiligten vor Ort.

IK-Bau NRW: Wie unterscheidet sich die Kommunikation auf der Baustelle in Uganda von der in Deutschland?

Lara Bergfelder: Wir waren bisher selbst nicht vor Ort, aber nach unseren Erfahrungen ist die Kommunikation oft sehr positiv formuliert, auch wenn es Probleme gibt. Es ist wichtig, offene Fragen zu stellen, um ehrliches Feedback zu erhalten. Kritische Punkte werden manchmal erst beim zweiten oder dritten Nachfragen deutlich.

IK-Bau NRW: Können Sie uns mehr über die technischen Aspekte und den Plan Ihres Projekts erzählen? Welche Probleme mussten gelöst werden?

Kristin Frank: Nach der Erkundungsphase haben wir festgestellt, dass aufgrund der hohen Schülerzahl viele Toiletten benötigt werden. Nach dem ugandischen Standard kommen 40 Personen auf eine Toilette. Daher planen wir insgesamt 22 Toiletten – 10 für Jungen, 12 für Mädchen – sowie eine barrierefreie Toilette und Waschräume für die Mädchen. Ende 2022 haben wir die ersten Toiletten gebaut, einen Sechserblock für Jungen sowie eine barrierefreie Toilette. Im Oktober folgten die 12 Mädchentoiletten mit vier Waschräumen. Eine weitere Bauphase ist ebenfalls geplant.

IK-Bau NRW: Welche Technik verwenden Sie für die Toiletten? Gibt es Unterschiede zu den Standards in Deutschland?

Kristin Frank: Wir setzen auf Trockentrenntoiletten, bei denen Feststoffe und Flüssigkeiten getrennt werden. Feststoffe werden in Kammern unter den Toilettenkabinen gesammelt und mit Trockenmaterial wie Asche oder Sägespänen abgedeckt, um Feuchtigkeit und Fliegenbildung zu vermeiden.

Lara Bergfelder: Nach etwa einem halben Jahr wechselt man die Kammer und lässt die geschlossene Kammer weitere sechs Monate trocknen. Danach können die Inhalte als humusartiges Material entnommen, kompostiert und später als Dünger verwendet werden.

Kristin Frank: Es ist wichtig, auf die Bedeutung der Maßnahmen hinzuweisen. Es gibt beispielsweise Hygiene-Workshops, die wir regelmäßig durchführen. Ob das in Zukunft alles genauso funktionieren wird, wie wir es geplant haben, bleibt abzuwarten. Darauf müssen wir flexibel reagieren.

IK-Bau NRW: Gibt es Erfahrungen aus früheren Projekten, wie man vor Ort Verantwortlichkeiten schaffen kann, sodass die Gemeinschaft das Projekt langfristig übernimmt?

Lara Bergfelder: Das Thema nennen wir „Ownership“. Unser Ziel ist es, dass das Projekt nicht als unseres, sondern als das der lokalen Gemeinschaft wahrgenommen wird. Nach dem Prinzip der „Hilfe zur Selbsthilfe“ sollen wir am Ende nicht mehr gebraucht werden. Wir kehren nur für eine Evaluation zurück, um sicherzustellen, dass alles wie vorgesehen funktioniert und akzeptiert wird. Die Workshops richten sich an die Lehrerinnen und Lehrer, die ihr Wissen dann an die Schülerinnen und Schüler weitergeben. Das entlastet uns, da wir nicht selbst vor Ort schulen müssen und sorgt für mehr Eigenverantwortung und Wissenserhalt. Aus vergangenen Projekten wissen wir, dass dieser Ansatz funktioniert. Pro Toilette ernennen wir nach den Workshops verantwortliche Lehrerinnen und Lehrer, die sich freiwillig melden. Mit diesen Caretakern bleiben wir in Kontakt, um die Kommunikation aufrechtzuerhalten. Ein weiterer Ansatz ist, die Kinder einzubinden, etwa indem sie bei der Gestaltung der Toiletten mitwirken. Solche Aktionen stärken die Identifikation mit dem Projekt. Außerdem führen wir Gespräche über die langfristige Finanzierung, denn obwohl die laufenden Kosten niedrig sind, müssen gelegentlich Reparaturen durchgeführt werden. Wichtig ist, dass die Nutzung richtig funktioniert. Die Schülerinnen und Schüler müssen in die Verwendung von Trockenmaterial wie Asche eingewiesen werden. Das Entleeren der Kammern erfolgt nur alle sechs Monate. Falls die Kompostierung nicht umsetzbar ist, besteht die Möglichkeit, das Material sicher zu vergraben.

IK-Bau NRW: Neben der Herausforderung durch Corona war bei Ihrer geplanten Ausreise auch ein Ebola-Ausbruch ein Thema. Wie haben Sie sich darauf eingestellt?

Kristin Frank: Kurz vor unserer Abreise wurde der Ebola-Ausbruch bekannt, sodass Ingenieure ohne Grenzen uns die Einreise untersagte. Trotzdem war alles für den Bau der ersten Toiletten vorbereitet. Dank der Unterstützung unseres Partners Suubi konnten wir das Projekt remote umsetzen. Mitarbeitende von Suubi übernahmen vor Ort die Bauleitung und hielten uns durch regelmäßige Berichte und Videos auf dem Laufenden.

Lara Bergfelder: Wir haben intensiv Fundraising betrieben, Stiftungen angeschrieben und Fundraising-Events organisiert. Ein Teil unserer Gruppe hat sich ausschließlich um diese Aufgabe gekümmert. Ursprünglich wollten wir schon im Mai mit dem Bau beginnen, aber uns fehlten die Mittel. Schließlich erhielten wir Fördergelder von einer Stiftung, die innerhalb einer bestimmten Periode verwendet werden mussten. Ingenieure ohne Grenzen hat dann die restlichen Mittel aufgebracht, um den Bau zu ermöglichen.

IK-Bau NRW: Können Sie uns einen Überblick über die Kosten des Projekts geben? Werden diese Zahlen transparent gemacht?

Lara Bergfelder: Ja, auf der Projektseite gibt es eine Übersicht. Insgesamt belaufen sich die Kosten aller Phasen auf etwas über 100.000 Euro. Die aktuelle Phase ist mit Baukosten von 43.000 Euro die teuerste. Die Kosten erklären sich auch durch die Bauweise. Es handelt sich nicht nur um Toiletten, sondern um richtige Gebäude mit Fundament, Kammern, Geschossdecke und Dachkonstruktionen. Material wie Beton und Bewehrung ist in Uganda besonders teuer.

Kristin Frank: Für die Zwischendecke benötigen wir auch Bewehrung. Unser deutscher Statiker hat die Konstruktion sehr robust berechnet, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Die Standards in Uganda sind jedoch andere, und wir mussten einen Kompromiss finden, um die Kosten nicht zu hochzutreiben.

Lara Bergfelder: Wir haben mit unserem lokalen Partner eine Lösung gefunden, die für alle akzeptabel ist. Auch wenn wir nicht bei allen Bauphasen vor Ort sein konnten, haben wir durch Kommunikation und Kompromisse eine gute Balance erreicht.

IK-Bau NRW: Was waren die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Projekt, die Sie in zukünftige Projekte einfließen lassen können?

Kristin Frank: Eine der größten Herausforderungen war die Remote- Umsetzung. Wir haben gelernt, dass mehr Kommunikation besser ist, insbesondere bei der Abstimmung mit den lokalen Partnern. Obwohl unser Partner Suubi sehr viel vor Ort war und uns Bilder schickte, hätten regelmäßige Videoanrufe die Kommunikation erheblich verbessert.

Lara Bergfelder: Kommunikation ist das A und O, insbesondere wenn man nicht vor Ort ist. Manchmal erkennt man Dinge nur, wenn man sie selbst sieht. Wir haben festgestellt, dass es wichtig ist, klar zu definieren, was benötigt wird, und ständig im Austausch zu bleiben.

IK-Bau NRW: Hat Ihr Wunsch, gesellschaftlich etwas zu verändern, Ihre Studienwahl beeinflusst? Gibt es eine Verbindung zwischen Ihrem Engagement und Ihrer Entscheidung, Ingenieurwissenschaften zu studieren?

Lara Bergfelder: Auf jeden Fall. Ich studiere Umweltingenieurwissenschaften, weil ich etwas bewirken möchte – sei es durch technische Innovationen oder ehrenamtliches Engagement. Ich weiß noch nicht genau, in welche Richtung es gehen wird, aber ich möchte Veränderungen bewirken.

Kristin Frank: Bei mir liegt der Fokus eher auf dem Bauen selbst. Ich möchte Umgebungen schaffen, die Menschen gern nutzen, und durch Ingenieurbauwerke die Landschaft ein Stück schöner machen.

Spenden kann man einfach online über diesen QR-Code Oder auf das Konto von Ingenieure ohne Grenzen: Kontoinhaber: Ingenieure ohne Grenzen e.V. Sparkasse Marburg Biedenkopf IBAN: DE89 5335 0000 1030 3333 37 BIC: HELADEF1MAR Verwendungszweck: Programm Schulen - UGA17


Das Interview führte Dr. Bastian Peiffer, Pressesprecher der IK-Bau NRW.