16.06.2023
Am 16. Juni 2023 hat der Bundesrat beschlossen, den zweiten Satz von § 3 Absatz 7 der Vergabeverordnung (VgV) zu streichen. Dies könnte die bisherige Praxis der Vergabe von Planungsleistungen durch die öffentliche Hand erheblich verändern. Zahlreiche Planungsaufträge der öffentlichen Hand für Vorhaben auch mit einem eher niedrigen Bauvolumen unterliegen künftig den Regeln des Oberschwellenbereichs einschließlich der Pflicht zur europaweiten Ausschreibung.
Der nunmehr aufgehobene zweite Satz von § 3 Absatz 7 VgV bestimmte bisher, dass bei der Vergabe von Planungsleistungen für die Auftragswertschätzung der geschätzte Gesamtwert aller Lose nur bei Losen über gleichartige Leistungen zugrunde zu legen war. Dies hatte zur Folge, dass für einen großen Teil der öffentlichen Aufträge über Planungsleistungen die für den sogenannten Unterschwellenbereich geltenden Regeln anzuwenden waren.
Mit der am 16. Juni 2023 beschlossenen "Verordnung zur Anpassung des Vergaberechts an die Einführung neuer elektronischer Standardformulare („eForms“) für EU-Bekanntmachungen und an weitere europarechtliche Anforderungen“ wurde diese nur für Planungsleistungen geltende Sonderregel gestrichen. Dasselbe gilt für die entsprechenden Regelungen in der Sektorenverordnung (SektVO) und in der Vergabeverordnung für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit (VSVgV). In der Folge könnten zahlreiche Planungsaufträge der öffentlichen Hand für Vorhaben auch mit einem eher niedrigen Bauvolumen den strengeren Regeln des Oberschwellenbereichs einschließlich der Pflicht zur europaweiten Ausschreibung unterliegen.
Im Vorfeld der Entscheidung des Bundesrates hat die Ingenieurkammer-Bau NRW die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen dazu aufgefordert, die Streichung der betreffenden Vorschriften im Bundesrat abzulehnen. Bereits zuvor hatten Ingenieurkammer-Bau NRW und andere Länderkammern über die Bundesingenieurkammer und gemeinsam mit Berufsverbänden darauf hingewiesen, dass die aktuelle Änderung zu bürokratischem Mehraufwand für alle Beteiligten und Verzögerungen von Projekten führen wird. Eine gemeinsame Stellungnahme der Kammern und Verbände der planenden Berufe sowie des Bundesverbandes der freien Berufe hierzu können Sie hier einsehen.
Weitere Informationen finden Sie im Beitrag „Auftragswertschätzung bei der Vergabe von Planungsleistungen“ und bei der Bundesingenieurkammer.
Um öffentliche Auftraggeber bei der Ausschreibung von Planungsleistungen - auch im Oberschwellenbereich - zu unterstützen, zum Beispiel hinsichtlich der Auswahl sinnvoller Eignungs- und Zuschlagskriterien, haben Länderingenieurkammern gemeinsam bereits eine Fachliste Qualifizierte Vergabeberaterin (BIngK) / Qualifizierter Vergabeberater (BIngK) eingerichtet. Informationen dazu finden Sie im Beitrag „Qualifizierte Vergabeberatung durch die Mitglieder von Ingenieurkammern“. Eine Übersicht der qualifiziert Vergabeberatenden in den jeweiligen Bundesländern stellt die Bundesingenieurkammer bereit.
Zudem bietet die Ingenieurkammer-Bau NRW mit ihrer Honorar- und Vergabe-Informationsstelle sowohl ihren Mitgliedern als auch der öffentlichen Hand eine Ansprechpartnerin für honorar- und vergaberechtliche Anliegen.
Übrigens: Zur Vergabe von Planungsleistungen bietet das Fortbildungswerk der Ingenieurkammer-Bau NRW, die Ingenieurakademie West, Seminare am 08.08.2023, am 21.08.2023 und am 22.08.2023 an.