23.08.2023
Die am 16. Juni 2023 beschlossene Streichung des zweiten Satzes von § 3 Absatz 7 der Vergabeverordnung (VgV) wurde am 23. August 2023 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und tritt am 24. August 2023 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt müssen grundsätzlich alle ausgeschriebenen Planungsleistungen bei öffentlichen Vergabeverfahren addiert werden. Dies hat zur Folge, dass der Schwellenwert für die europaweite Ausschreibung von Planungsleistungen (215.000 Euro) früher als bisher überschritten wird.
Wie bereits berichtet hat der Bundesrat auf Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimawandel (BMWK) am 16. Juni 2023 mit der "Verordnung zur Anpassung des Vergaberechts an die Einführung neuer elektronischer Standardformulare („eForms“) für EU-Bekanntmachungen und an weitere europarechtliche Anforderungen“ die Streichung von § 3 Absatz 7 Satz 2 VgV beschlossen. Dasselbe gilt für die entsprechenden Regelungen in der Sektorenverordnung (SektVO) und in der Vergabeverordnung für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit (VSVgV). Durch die Anwendung der Regelung wurden bislang die einzelnen Leistungsbilder der HOAI jeweils einzeln am Schwellenwert von derzeit 215.000 € gemessen, wodurch Planungsleistungen üblicherweise im Unterschwellenbereich vergeben werden konnten. Zu der künftigen Vergabepraxis hat sich das BMWK trotz Initiative der Bundesingenieurkammer bisher nur mit allgemeinen Ausführungen geäußert.
Es ist jedoch davon auszugehen, dass künftig sämtliche Planungsleistungen zu addieren und in Summe am Schwellenwert zu messen sein werden. Dies hat zur Folge, dass der Schwellenwert für die europaweite Ausschreibung von Planungsleistungen (215.000 Euro) früher als bisher überschritten wird. So werden jetzt auch bei kleinen Bauvorhaben europaweite Ausschreibungen notwendig. Dies bedeutet einen zeit- und kostenintensiven Mehraufwand nicht nur für die sich an einer Ausschreibung beteiligenden Planerinnen und Planer, sondern auch für die öffentlichen Auftraggeber. In einer Entschließung des Bundesrates wurde die Bundesregierung aufgefordert zu prüfen, wie im Rahmen der europarechtlichen Möglichkeiten auch weiterhin verschiedene Planungsleistungen für kleinere Bauprojekte ohne europaweite Ausschreibung vergeben werden können. Dazu sollen klarstellende Erläuterungen gegeben werden, die aufzeigen, wie die Auswirkungen der Aufhebung des § 3 Absatz 7 Satz 2 VgV auf die Praxis rechtssicher begrenzt werden können.
Die Bundesingenieurkammer wird sich zur Anwendung der gegebenen BMWK-Erläuterungen in der Praxis auch mit den kommunalen Spitzenverbänden und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund abstimmen, und darauf hinwirken, dass bei zukünftigen Vergaben die in den Erläuterungen ebenfalls hervorgehobenen mittelständischen Interessen berücksichtigt werden. Weitere Informationen hierzu finden Sie hier.
Weitere Informationen finden Sie im Beitrag „Auftragswertschätzung bei der Vergabe von Planungsleistungen“ und bei der Bundesingenieurkammer.
Um öffentliche Auftraggeber bei der Ausschreibung von Planungsleistungen - auch im Oberschwellenbereich - zu unterstützen, zum Beispiel hinsichtlich der Auswahl sinnvoller Eignungs- und Zuschlagskriterien, haben Länderingenieurkammern gemeinsam bereits eine Fachliste Qualifizierte Vergabeberaterin (BIngK) / Qualifizierter Vergabeberater (BIngK) eingerichtet. Informationen dazu finden Sie im Beitrag „Qualifizierte Vergabeberatung durch die Mitglieder von Ingenieurkammern“. Eine Übersicht der qualifiziert Vergabeberatenden in den jeweiligen Bundesländern stellt die Bundesingenieurkammer bereit. Der nächste Lehrgang findet im November 2023 statt.
Zudem bietet die Ingenieurkammer-Bau NRW mit ihrer Honorar- und Vergabe-Informationsstelle sowohl ihren Mitgliedern als auch der öffentlichen Hand eine Ansprechpartnerin für honorar- und vergaberechtliche Anliegen.
Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt: https://www.recht.bund.de/bgbl/1/2023/222/VO.html